Pflichtteil bei Testament: Das müssen Sie wissen
Pflichtteil bei Testament: Viele Mandanten fragen sich, ob sie trotz Testament noch Anspruch auf einen Pflichtteil haben – oder wie sich der Pflichtteil bei einem bestehenden Testament berechnet. Der Pflichtteil gehört zu den zentralen Regelungen im deutschen Erbrecht. Es schützt nahe Angehörige davor, durch ein Testament oder einen Erbvertrag vollständig von der Erbfolge ausgeschlossen zu werden. Wer ein Testament errichtet, ist zwar grundsätzlich frei, über sein Vermögen nach eigenem Willen zu verfügen. Für Erblasser und potenzielle Erben ist es daher von erheblicher Bedeutung, die rechtlichen Rahmenbedingungen rund um den Pflichtteil zu kennen.
Pflichtteil bei Testament: Worum geht es?
Der Pflichtteil bei einem Testament ist ein gesetzlich garantierter Mindestanspruch naher Angehöriger am Nachlass des Erblassers – selbst, wenn sie durch ein Testament oder einen Erbvertrag ganz oder teilweise enterbt wurden. Er schützt Kinder, Ehegatten, eingetragene Lebenspartner und in bestimmten Fällen die Eltern davor.
Der Pflichtteil besteht nicht in einer Erbquote am Nachlass, sondern in einem reinen Geldanspruch gegen die Erben. Seine Höhe beträgt stets die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Damit bildet der Pflichtteil einen Ausgleich zwischen der Testierfreiheit des Erblassers und dem Schutz der nächsten Angehörigen.
Typische Streitpunkte beim Pflichtteil
In der Praxis ergeben sich zahlreiche Konflikte rund um den Pflichtteil. Zu den häufigsten Problemen zählen:
Unklare Nachlassbewertung: Immobilien, Unternehmensanteile oder Kunstgegenstände lassen sich oft nur schwer objektiv bewerten.
Verdeckte Schenkungen: Zuwendungen des Erblassers werden als normale Unterstützungen dargestellt, um den Pflichtteil zu reduzieren.
Verweigerung von Auskünften: Erben versuchen, den Nachlassbestand zu verschleiern oder zu verkleinern.
Steuerliche Belastungen: Pflichtteilsberechtigte werden durch Steuerpflichten überrascht, obwohl sie den Anspruch nicht geltend machen.
Streitigkeiten über die Wirksamkeit von lebzeitig abgeschlossenen Pflichtteilsverzichtsverträgen
Gerade bei komplexen Nachlassstrukturen, Unternehmensvermögen oder internationalen Bezügen empfiehlt es sich daher häufig, anwaltliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil beim Testament?
Das Pflichtteilsrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Anspruch auf den Pflichtteil haben die nächsten Angehörigen des Erblassers. Dazu zählen:
Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel)
der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner
die Eltern, wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind
Bei Abkömmlingen ist zu beachten: Kinder erhalten vorrangig den Pflichtteil; Enkeln haben nur dann einen Anspruch, wenn die Kinder bereits vorverstorben sind. Nicht pflichtteilsberechtigt sind hingegen Geschwister, Großeltern oder andere Verwandte.
Wichtig ist: Der Pflichtteil entsteht nur, wenn der Berechtigte durch Testament oder Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen oder mit einem geringeren Anteil bedacht wurde, als ihm gesetzlich zustünde.
Wie hoch ist der Pflichtteil bei einem Testament?
Der Pflichtteil bei Testamenten ist vor allem dann relevant, wenn das Testament von der gesetzlichen Erbfolge abweicht. Er garantiert dem Berechtigten dennoch die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Ausgangspunkt für die Berechnung des Pflichtteils ist also die gesetzliche Erbfolge, die ohne Testament gelten würde. Daraus ergibt sich der konkrete Pflichtteilsanspruch.
Pflichtteilsberechtigte Personen sind die engsten Verwandten: Bei vorhandenen Kindern werden diese zu gleichen Teilen berücksichtigt. Der Pflichtteil entspricht der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils. Sind keine Abkömmlinge vorhanden, sind die Eltern des Verstorbenen pflichtteilsberechtigt.
Der Pflichtteil des Ehegatten hängt vom Güterstand ab:
Zugewinngemeinschaft: Der gesetzliche Erbteil beträgt neben Abkömmlingen des Erblassers ein Viertel des Nachlasses, daneben steht ein pauschaler Zugewinnausgleich von einem Viertel, sodass der gesetzliche Erbteil ein Halb wäre. Der Pflichtteil beträgt folglich ein Viertel.
Gütertrennung: Der Ehegatte erhält den gesetzlichen Erbteil, der abhängig von der Anzahl der Kinder variiert (bei einem Kind die Hälfte, bei zwei Kindern ein Drittel, ab drei Kindern ein Viertel). Der Pflichtteil beträgt jeweils die Hälfte davon.
Gütergemeinschaft: Die Berechnung erfolgt nach besonderen Regeln, da das Vermögen gemeinschaftlich gebunden ist.
Damit ergibt sich der Pflichtteil stets aus der individuellen familiären Situation und dem maßgeblichen Güterstand.
Wie kann ich den Pflichtteil geltend machen?
Der Pflichtteilsanspruch entsteht automatisch mit dem Erbfall. Der Anspruchsberechtigte ist jedoch nicht automatisch Miterbe. Vielmehr handelt es sich um einen reinen Geldanspruch gegen die Erben.
Um den Pflichtteil durchzusetzen, muss der Berechtigte gegenüber den Erben aktiv werden. Er hat Anspruch auf:
Auskunft über den Bestand des Nachlasses, § 2314 BGB
Vorlage eines Nachlassverzeichnisses, § 2314 BGB
Wertermittlung einzelner Nachlassgegenstände durch Gutachter
Erst auf dieser Grundlage lässt sich die Höhe des Pflichtteils berechnen und einfordern. Weigern sich die Erben, diese Auskünfte zu erteilen oder den Pflichtteil auszuzahlen, bleibt oft nur eine Pflichtteilsklage.
Pflichtteil entziehen: Ist das durch Testament möglich?
Das Pflichtteilsrecht ist stark geschützt. Eine vollständige Entziehung des Pflichtteils ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig. Das Gesetz nennt hierfür bestimmte Gründe, etwa wenn der Pflichtteilsberechtigte:
dem Erblasser, dessen Ehegatten oder einem Kind nach dem Leben trachtet,
sich eines Verbrechens gegen diese Personen schuldig macht,
die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser grob verletzt oder
wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt wurde und das Festhalten am Pflichtteilsrecht unzumutbar wäre.
Eine Entziehung muss ausdrücklich im Testament verfügt und begründet werden. Bloße familiäre Streitigkeiten oder ein zerrüttetes Verhältnis reichen nicht aus.
Kann ich den Pflichtteil umgehen?
Häufiger haben Mandanten den Wunsch, den Pflichtteil zumindest teilweise zu umgehen, auch wenn dieser nicht komplett ausgeschlossen werden kann. Auch wenn das Pflichtteilsrecht den Gestaltungsspielraum einschränkt, gibt es verschiedene Möglichkeiten, mit diesem Thema umzugehen.
Pflichtteilsreduzierende Schenkungen: Durch frühzeitige Übertragungen unter Beachtung der Zehn-Jahres-Frist lässt sich der Nachlasswert gezielt reduzieren.
Ehevertragliche Vereinbarungen: Durch modifizierte Zugewinngemeinschaft oder Gütertrennung kann der Pflichtteilsrahmen verändert werden.
Erbverzichtsverträge: Einvernehmliche Lösungen innerhalb der Familie sorgen für Klarheit und beugen Streit vor.
Testamentsgestaltung: Klare Regelungen im Testament vermeiden Missverständnisse und Streitigkeiten nach dem Erbfall.
So lässt sich der Pflichtteil in der Regel nicht aufheben oder vollständig umgehen, es gibt jedoch verschiedene Vermeidungsstrategien zur Pflichtteilsreduzierung.
Was ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Ein häufiger Streitpunkt ergibt sich aus Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten vorgenommen hat. Um Pflichtteilsberechtigte nicht durch gezielte Vermögensübertragungen zu benachteiligen, sieht das Gesetz den sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch vor.
Dabei werden Schenkungen, die der Erblasser innerhalb der letzten 10 Jahre vor seinem Tod getätigt hat, dem Nachlass fiktiv hinzugerechnet. Der Pflichtteilsanspruch bemisst sich dann an diesem erhöhten Nachlasswert.
Allerdings gilt eine Abschmelzungsregel: Mit jedem Jahr, das zwischen Schenkung und Erbfall liegt, reduziert sich der anzurechnende Wert um zehn Prozent. Das bedeutet, wenn der Erblasser 5 Jahre vor seinem Tod ein Grundstück verschenkt hat, wird der Wert des Grundstücks für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nur zu 50% angesetzt.
Was passiert, wenn ich auf mein Erbe verzichte?
Ein Erbverzicht kann auf zwei Arten erfolgen: durch einen notariell beurkundeten Erbverzichtsvertrag bereits zu Lebzeiten des Erblassers oder durch die Ausschlagung der Erbschaft nach Eintritt des Erbfalls. Wird die Erbschaft ausgeschlagen, entfällt in der Regel auch der Pflichtteilsanspruch. Der Nachlass geht dann an die nächsten gesetzlichen Erben oder an die im Testament benannten Personen über. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch entfällt jedoch nicht. Ist dagegen das Erbe beispielsweise mit einem Vermächtnis beschwert, muss das Erbe ausgeschlagen werden, um den Pflichtteil geltend machen zu können.
Ein Erbverzicht zu Lebzeiten hat endgültige Wirkung und schließt sowohl Erb- als auch Pflichtteilsrechte aus. Häufig wird er gegen Zahlung einer Abfindung vereinbart. Vor einem Verzicht ist stets eine sorgfältige rechtliche und wirtschaftliche Prüfung ratsam.
Pflichtteil bei Testament: Was Sie aus steuerlicher Sicht beachten sollten
Auch steuerlich hat der Pflichtteil erhebliche Bedeutung. Pflichtteilsansprüche unterliegen der Erbschaftsteuer. Maßgeblich ist der Betrag, den der Berechtigte tatsächlich erhält.
Besonders relevant ist, dass Pflichtteilsansprüche unmittelbar dann steuerpflichtig sind, wenn sie geltend gemacht werden. In der Praxis stellt dies eine erhebliche Belastung dar. Der Pflichtteilsberechtigte hat daher abzuwägen, ob er seinen Anspruch einfordert oder bewusst darauf verzichtet. Wenn er den Pflichtteil einmal geltend gemacht hat, ist die Steuer ausgelöst und ein späterer Verzicht lässt diese nicht entfallen. Im Gegenteil könnte dieser sogar eine zusätzliche Steuer auslösen.
Für Erben nach dem Testament wiederum ist zu beachten, dass die Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs den Nachlass reduziert und somit die zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer mindert. Es handelt sich um eine Nachlassverbindlichkeit.
So unterstützt Sie ein Fachanwalt für Steuer- und Erbrecht
Ein Fachanwalt für Erbrecht und Steuerrecht bietet umfassende Unterstützung beim Thema “Pflichtteil bei Testament” und hilft Ihnen dabei, Ihren Pflichtteilsanspruch trotz Enterbung durchzusetzen. Unsere Anwälte prüfen, ob Pflichtteilsansprüche bestehen, berechnen deren Höhe und setzen diese gegenüber den Erben durch. Dazu gehört auch die Durchsetzung von Auskunfts- und Wertermittlungsansprüchen, um eine transparente Nachlassbewertung zu gewährleisten.
Für Erblasser entwickeln unsere Fachanwälte Gestaltungsmöglichkeiten, wobei Pflichtteilsansprüche berücksichtigt oder durch gezielte Nachlassplanung reduziert werden. Dazu zählen etwa Schenkungen, Erbverzichtsverträge oder eine vorausschauende Testamentsgestaltung.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der steuerlichen Beratung. Da Pflichtteilsansprüche der Erbschaftsteuer unterliegen, sorgt unsere Kanzlei für eine optimale steuerliche Gestaltung und hilft, unnötige Belastungen zu vermeiden.
Fazit
Der Pflichtteil bei Testamenten sichert nahen Angehörigen einen gesetzlich garantierten Mindestanspruch am Nachlass. Seine Höhe richtet sich nach der Hälfte des gesetzlichen Erbteils und hängt von der familiären Situation sowie dem Güterstand ab.
Da Pflichtteilsansprüche häufig zu Streitigkeiten führen und auch steuerliche Folgen haben, empfiehlt sich in vielen Fällen eine frühzeitige rechtliche Beratung. So kann die Nachlassplanung nach den Wünschen des Erblassers frühzeitig optimiert und Streitigkeiten unter den Erben vorgebeugt werden.
