Eidesstattliche Versicherung trotz notariellem Nachlassverzeichnis?
10.06.2024
OLG Bamberg, Beschluss vom 29.12.2023 - Aktenzeichen 2 U 5/23e
Immer wieder stellt sich die Frage, wie eine pflichtteilsberechtigte Person die notwendigen Informationen über den Nachlassbestand erhält, um ihren Pflichtteilsanspruch zu beziffern. An erster Stelle steht der Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB. Dabei kann der Pflichtteilsberechtigte zunächst entscheiden, ob er ein privatschriftliches Nachlassverzeichnis begehrt oder ein notarielles Nachlassverzeichnis. Möglich ist es auch, dass der Pflichtteilsberechtigte zunächst ein privatschriftliches Verzeichnis fordert und im Zweifelsfall anschließend noch ein notarielles Nachlassverzeichnis. Gleichwohl kann in diesen Fällen weiterhin die Unsicherheit bestehen bleiben, ob die getätigten Angaben zutreffend und sorgfältig sind. Das Gesetz hilft dem Pflichtteilsberechtigten an dieser Stelle mit einem Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch den Erben. Das Oberlandesgericht Bamberg setzte sich in seiner Entscheidung mit der Frage der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung auseinander – insbesondere ob ein solcher auch bei Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnis besteht.
Es kommt nicht darauf an, wer das Verzeichnis erstellt hat
Ausgangspunkt ist § 260 Absatz 2 BGB, der normiert, dass ein Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung dann existiert, wenn Grund zu der Annahme bestehe, dass das vorgelegte Nachlassverzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden sei.
Das Gesetz unterscheidet an dieser Stelle gerade nicht danach, wer Autor des Verzeichnisses ist. Das Gericht wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Gesetzeswortlaut explizit im Passiv formuliert sei; mithin ist auch das notarielle Nachlassverzeichnis von der Regelung erfasst. Das bedeutet, dass trotz notariellem Nachlassverzeichnis, eine eidesstattliche Versicherung hierdurch nicht automatisch entbehrlich wird.
Verdacht der mangelnden Sorgfalt genügt
Die Unvollständigkeit des Verzeichnisses und die mangelnde Sorgfalt müssen nicht positiv festgestellt werden, sondern es genügt, wenn der Verdacht dafür besteht. Dieser Verdacht muss allerdings durch den Pflichtteilsberechtigten bewiesen werden, wobei sich dies häufig bereits aus der (unvollständigen) Auskunftserteilung selbst ergeben wird. Möglich ist aber auch der Beweis durch andere Umstände wie etwa die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit von vorhergehenden Informationen durch den Erben.
Im konkreten Fall wurden die Voraussetzungen dadurch erfüllt, dass – abweichend vom ursprünglichen privatschriftlichen Verzeichnis – eine Schenkung im notariellen Nachlassverzeichnis aufgeführt wurde. Das Nachreichen von relevanten Angaben spricht bereits für sich und lässt darauf schließen, dass der Erbe die Angaben nicht sorgfältig genug getätigt hat.
Fehlerhafte Angaben zur Schenkung begründen gesamten Anspruch
Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten gilt insoweit nicht nur im Hinblick auf den Pflichtteilsanspruch, sondern auch für den Pflichtteilsergänzungsanspruch. Zudem stellt das Gericht klar, dass durch fehlerhafte Angaben beim Pflichtteilsergänzungsanspruch auch der Verdacht besteht, dass auch die übrigen Angaben im Nachlassverzeichnis fehlerhaft seien, so dass auch der Nachlassbestand nicht unstreitig seien kann.
Besser zum Fachanwalt
Die Informationsbeschaffung des Pflichtteilsberechtigten ist eine der wichtigsten Fragen in der Praxis im Rahmen des Pflichtteilsrechts, die nicht selten vor Gericht entschieden werden. So auch jüngst in einem weiteren Fall vor dem Bundesgerichtshof.
Dem Pflichtteilsberechtigten werden verschiedene Instrumente an die Hand gegeben, damit dieser seine Ansprüche durchsetzt. Dabei sollte jedoch stets im konkreten Einzelfall geprüft werden, welches Vorgehen sich in der konkreten Konstellation anbietet.
Unsere Rechtsanwälte und Fachanwälte von sherb sind Experten im Pflichtteilsrecht und beraten Sie aus Frankfurt am Main und Berlin gerne bundesweit in allen Fragen des Erbrechts und des Pflichtteilsrechts.
Autor: Rechtsanwalt Dr. Daniel Elias Serbu