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Entscheidung des Oberlandesgerichts München zum Auskunftsrecht des Pflichtteilsberechtigten

30.01.2025

Entscheidung Oberlandesgerichts München - vom 3.12.2024 – Aktenzeichen 33 W 1034/24

Beim Erstellen eines notariellen Nachlassverzeichnisses hat der Pflichtteilsberechtigte nur eingeschränkte Rechte. Das Verzeichnis ist eine Tatsachenbescheinigung des Notars, bei der keine Beurkundung stattfindet und die Anwesenheit des Pflichtteilsberechtigten nicht erforderlich ist. Zudem hat der Pflichtteilsberechtigte kein Zuziehungsrecht bei einzelnen Ermittlungshandlungen und auch keinen Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen, die der Notar für das Verzeichnis auswertet.




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Streitfall

Der Antragsteller verlangt im Wege der Zwangsvollstreckung von der Erbin die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses. Hierzu wurde diese durch Teilurteil des Landgerichts Memmingen im Juli 2023 verurteilt. Nachdem die Erbin das Verzeichnis nicht fristgerecht vorgelegt hatte, beantragte der Antragsteller im Oktober 2023 ein Zwangsgeld, woraufhin das Landgericht im Februar 2024 ein Zwangsgeld von 1.000 € verhängte. Die Erbin legte jedoch Beschwerde ein und das Gericht hob den Beschluss im Mai 2024 auf, da ein Nachlassverzeichnis und Nachträge zwischenzeitlich vorgelegt wurden.

Hiergegen legte der Antragsteller im Juni 2024 sofortige Beschwerde ein, da er sein Zuziehungsrecht bei der Erstellung des Verzeichnisses verletzt sah und die Qualität des Verzeichnisses bemängelte: Durch die Nachträge sei das Verzeichnis unübersichtlich und die Notarin habe nicht die nötigen Ermittlungen unternommen. Das Landgericht legte die Akte sodann dem Senat zur Entscheidung vor. Dieser wies die Beschwerde des Antragstellers zurück.

Hintergrund

Wichtig für den Pflichtteilsberechtigten ist eine ordentliche Erfüllung seines Anspruchs auf Auskunft über den Nachlass, um seinen Anspruch auf Zahlung des Pflichtteils gegen den Erben beziffern zu können. Hierzu wird ein Nachlassverzeichnis erstellt. Das Gericht unterstreicht mit seiner Entscheidung jedoch die Unabhängigkeit des Notars bei der Erstellung eines solchen Verzeichnisses und weist die Grenzen der Rechte des Pflichtteilsberechtigten auf.

Zuziehungsrecht des Pflichtteilsberechtigten

Das Gericht entschied, dass der Pflichtteilsberechtigte kein physisches Anwesenheitsrecht bei allen Terminen hat. Die Tatsache, dass der Antragsteller bei der formellen Errichtung des Nachlassverzeichnisses nicht anwesend war, hatte keine Auswirkungen auf die Erfüllungswirkung des Nachlassverzeichnisses, da der Antragsteller im vorherigen Erörterungstermin durch seinen Vertreter anwesend war. Außerdem stellt das Nachlassverzeichnis lediglich eine Tatsachenbescheinigung dar, keine Willenserklärung. Da es daher keinen Beurkundungstermin gab und das Dokument nicht verlesen wurde, war es nicht erforderlich, dass der Antragsteller anwesend war, besonders nach der vorherigen Besprechung, bei der er sich äußern konnte.

Auch besteht für den Pflichtteilsberechtigten kein Anwesenheitsrecht oder ein Anspruch, dem Notar „über die Schulter zu schauen“. Das Gericht verwies auf die Rechtsprechung, wonach der Auskunftsanspruch gemäß § 2314 BGB keinen Anspruch auf Vorlage von Belegen beinhaltet. Diese Regelung würde faktisch leerlaufen, wenn der Pflichtteilsberechtigten dem Notar bei seiner Ermittlungsarbeit „zuschauen“ dürfte. Zudem könnte dies den Ablauf des Verfahrens unnötig verzögern. Noch schwerer wiegt eine mögliche Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers, da auch Informationen, die keine pflichtteilsrechtliche Relevanz haben, dem Pflichtteilsberechtigten zugänglich gemacht werden könnten. Dieser unterliegt – anderes als der Notar – keiner Verschwiegenheitspflicht, sodass schließlich die Gefahr bestünde, dass Informationen an Dritte gelangen.

Nachträge nicht zu beanstanden

Der Antragsteller kann auch ein fehlendes einheitliches notarielles Nachlassverzeichnis nicht beanstanden. Der Senat hebt hervor, dass Notare bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses oft zwischen der zügigen Erstellung und der Vollständigkeit der Angaben abwägen müssen, insbesondere wenn Antworten von Banken oder Versicherungen auf sich warten lassen. Dies kann mitunter Nachträge und Ergänzungen erforderlich machen und führt keineswegs zur Unübersichtlichkeit oder minderwertigen Qualität des Nachlassverzeichnisses.

Kein Anspruch auf konkrete Ermittlungshandlungen

Soweit die im Nachlassverzeichnis abgegeben Erklärungen plausibel und nachvollziehbar sind, hat der Pflichtteilsberechtigte keinen Anspruch auf weitere konkrete Nachforschungen. Gleiches gilt, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Erbe wahrheitswidrige Angaben gemacht hat. Maßstab dafür, welche Ermittlungshandlungen vorzunehmen sind, ist, dass der Notar (nur) die Ermittlungen anzustellen hat, die auch ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde.

Unsere Expertise im Pflichtteilsrecht

Es gilt daher bei Erfüllung des Auskunftsanspruchs einerseits die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um ein ordnungsgemäßes Nachlassverzeichnis zu erstellen, andererseits auch zu wissen, welche Informationen der Pflichtteilsberechtigte nicht erhalten muss, um etwaige Kosten zu sparen und anhaltlose Ausforschungen zu vermeiden.

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Autorin: Rechtsanwältin Anna K. Kiefer

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