Vermächtnis und Pflichtteilslast im Spannungsfeld
24.09.2024
Landgericht Detmold, Urteil vom 18.4.2024 – Aktenzeichen 4 O 275/23
Die Behandlung von Vermächtnissen im Rahmen des Pflichtteilsrechts stellt in der Praxis eine nicht unerhebliche Schwierigkeit dar. Diesbezüglich normiert § 2318 Absatz 1 BGB, dass ein Erbe die Erfüllung eines Vermächtnisses soweit verweigern kann, dass der Vermächtnisnehmer und er die Pflichtteilslast verhältnismäßig tragen. Das gilt nach § 2318 Absatz 2 BGB gegenüber einem selbst pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer nur insoweit, dass diesem sein Pflichtteil verbleibt. Wenn wiederum der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt ist, kann er gemäß § 2318 Absatz 3 BGB das Vermächtnis wegen der Pflichtteilslast soweit kürzen, dass ihm sein eigener Pflichtteil verbleibt. Diese Vorschrift wird durch § 2322 BGB ergänzt, wonach in den Fällen, in denen der Pflichtteilsberechtigte die Erbschaft ausgeschlagen hat und seinen Pflichtteil geltend macht, derjenige, dem die Ausschlagung zugutegekommen ist, das Vermächtnis soweit kürzen kann, dass ihm der zur Deckung der Pflichtteilslast erforderliche Betrag verbleibt. Im vom Landgericht Detmold entschiedenen Fall ging es um genau diese Vorschriften und die Frage, wieweit eine Kürzung des Vermächtnisses möglich ist.
Darum ging es
Die überlebende Ehefrau des Erblassers wurde von diesem testamentarisch als Vermächtnisnehmerin bedacht. Zu Erben setzte er seine Kinder ein. Eines seiner Kinder war vorverstorben, Ersatzerben waren dessen Kinder, die das Erbe jedoch ausschlugen, um dem Pflichtteil geltend zu machen. Der eingesetzte Testamentsvollstrecker ging davon aus, dass er das Vermächtnis gegenüber der Witwe kürzen könne. Sie klagte hiergegen vor dem Landgericht und argumentierte damit, dass die Erben durch die Ausschlagung einen Mehrbetrag erhalten hätten, der die von ihnen zu tragende Pflichtteilslast bereits überstieg.
Der Testamentsvollstrecker hielt dagegen, dass nach seiner Ansicht § 2322 BGB nur für den Teil der Erbschaft gelte, den die Erben durch die Ausschlagung erlangt hätten (also nur für ein Drittel des Nachlasses). Im Übrigen sollte nach § 2318 Absatz 1 BGB das Vermächtnis anteilig gekürzt werden.
Entscheidung durch das Gericht
Die Richter des Landgerichts Detmold schlossen sich der Ansicht der Klägerin an. Das Gericht führte in seiner Entscheidung aus, dass die Regelung des § 2322 BGB lex specialis zu § 2318 BGB sei. Das heißt, dass die Vorschrift des § 2318 BGB verdrängt werde.
§ 2322 BGB ist einschlägig
Vorliegend haben die Enkel des Erblassers das Erbe ausgeschlagen. Hierdurch hat sich das Erbe der übrigen Erben dementsprechend automatisch erhöht. Ein Kürzungsrecht nach § 2322 BGB wäre demnach zwar in Betracht gekommen, jedoch waren die ausgeschlagenen Erbteile wertmäßig höher als der geltend gemachte Pflichtteil und somit denklogisch ausreichend, um diesen zu befriedigen. Aus diesem Grund scheidet eine Kürzung nach § 2322 BGB aus. Doch auch § 2318 BGB greift nicht ein, da diese Vorschrift keine Anwendung findet, wenn bereits ein Fall des § 2322 BGB vorliegt.
Es kommt nicht darauf an, ob der Begünstigte bereits Erbe ist
Das Gericht stellte dabei auch klar, dass es keinen Unterschied mache, ob die Erben, die von der Ausschlagung profitieren, ohnehin bereits Erben waren (so wie hier) oder erst durch die Ausschlagung Erben geworden sind.
Unsere Expertise im Pflichtteilsrecht
Die Bestimmung des Pflichtteilsanspruchs kann in verschiedenen Konstellationen erhebliche praktische Schwierigkeiten bereiten. Dies gilt insbesondere, wenn in der letztwilligen Verfügung Vermächtnisse angeordnet wurden. Da ist es gut, wenn Sie den Durchblick behalten.
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Autor: Rechtsanwalt Dr. Daniel Elias Serbu