Zur Sittenwidrigkeit einer Bedingung im Testament
24.04.2025
OLG Hamm (10. Zivilsenat), Beschluss vom 12.12.2024 – Aktenzeichen 10 W 7/24
Im Rahmen der Errichtung eines Testaments kann sowohl die Erbeinsetzung als auch die Anordnung von Vermächtnissen von Bedingungen abhängig gemacht werden. Der – vom Grundgesetz garantierten – Testierfreiheit sind allerdings dort Grenzen gesetzt und zwar dort, wo ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt. Das Oberlandesgericht Hamm hat sich mit dieser Frage auseinandergesetzt.
Erst Ehegattentestament, dann Einzeltestament
Der spätere Erblasser und seine Frau errichteten ein gemeinsames Ehegattentestament, in dem sie sich beide als Alleinerben einsetzten. Nach dem Tod seiner Frau setzte der Erblasser in einem Einzeltestament einer seiner beiden Töchter als Alleinerbin ein. Die andere Tochter sollte durch ein Vermächtnis bedacht werden. Dabei stellte er allerdings die Bedingung auf, dass die Begünstigte im Zeitpunkt seines Todes im Güterstand der Gütertrennung leben muss.
Kein Nachweis der Testierunfähigkeit
Nach dem Tod des Erblassers beantragte die – nur als Vermächtnisnehmerin eingesetzte – Tochter einen gemeinschaftlichen Erbschein, der beide Töchter je zu ½ als Miterbinnen ausweisen sollte. Sie begründete dies damit, dass der Erblasser nicht mehr testierfähig gewesen sei. Sie konnte jedoch den Nachweis der Testierunfähigkeit des Erblassers gegenüber dem Nachlassgericht nicht erbringen.
Klage auf Vermächtniserfüllung
Sodann machte sie vor dem Landgericht die Erfüllung des Vermächtnisses geltend. Die im Testament aufgenommene Bedingung sei nichtig, so dass es nicht darauf ankomme, dass sie und ihr Mann nicht in Gütertrennung lebe. Sie begründete dies insbesondere mit einem Verstoß der Bedingung gegen § 138 Absatz 1 BGB analog, da die Bestimmung gegen die guten Sitten verstoße. Sie verfolge keinen legitimen Zweck, sondern soll ausschließlich, die Beziehung der Tochter zu deren Ehemann – den der Erblasser nicht mochte – erschweren.
Dem widersprach die andere Tochter. Sie begründete dies damit, dass der Hintergrund der Regelung gewesen sei, dass der Erblasser und seine Frau stets darauf bedacht waren, das Vermögen im Familienbesitz zu halten.
Gericht weist Klage zurück
Das angerufene Landgericht Arnsberg wies die Klage der Tochter zurück, da die im Testament aufgenommene Bedingung wirksam gewesen sei. Sittenwidrigkeit von testamentarischen Bedingungen liege nur in seltenen Ausnahmefällen vor und zwar dann, wenn eine Abwägung zwischen der Testierfreiheit und den Freiheitsrechten des Betroffenen zu dem Ergebnis führt, dass letzterer aufgrund eines unzumutbaren Drucks in seinem höchstpersönlichen Bereich eingeschränkt wird. Dies sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig gewesen. Durch die Vereinbarung der Gütertrennung wäre die Klägerin nicht in ihren Rechten einer freien Lebensführung eingeschränkt gewesen.
Oberlandesgericht spricht Machtwort
Die Angelegenheit landete schließlich beim Oberlandesgericht Hamm. Auch hier endete das Gerichtsverfahren für die Klägerin erfolglos. Nach Ansicht des Gerichts ist die Bestimmung, wonach die Klägerin den Güterstand der Gütertrennung zu Erlangung des Vermächtnisses hätte nachweisen müssen, wirksam.
Gewählte Bedingung stellt keine Drucksituation für Vermächtnisnehmerin dar
Auch die Richter des Oberlandesgerichts verneinten die Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB. Sie verwiesen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach Bedingungen in letztwilligen Verfügungen (Testamente und Erbverträge) dahingehend zu prüfen sind, ob durch sie grundrechtlich geschützte Eheschließungsfreiheit eines eingesetzten Erben zumindest mittelbar beeinflussen. Wann dies der Fall ist, wurde bislang zwar nicht abschließend höchstrichterlich geklärt und unterliegt der Einzelfallbetrachtung. Letztendlich komme es jedoch hier gar nicht darauf an, weil im konkreten Fall gar kein Eingriff in die Entschließungsfreiheit der Tochter vorgelegen habe, so das Oberlandesgericht: Entweder die Klägerin habe von der Bedingung zu Lebzeiten des Erblassers nicht gewusst, so dass sie in ihrer Entschließungsfreiheit nicht beeinträchtig war oder aber, sie hat zwar davon gewusst, hatte zu diesem Zeitpunkt jedoch noch gar keine gesicherte Rechtsposition. Im Zeitpunkt des Todes des Erblassers war dagegen die Bedingung gar nicht mehr erfüllbar. Im Ergebnis liege daher, nach Ansicht der Richter, gar kein Eingriff in die Entschlussfreiheit der Klägerin vor. Sie haben nach dem Erbfall gerade keinem Druck beziehungsweise Entscheidungskonflikt unterlegen.
Zudem schloss sich das Gericht der Argumentation an, dass der Wunsch des Erblassers, dass seine Tochter Gütertrennung vereinbare, eine nachvollziehbare Erwägung darstelle und die Tochter gerade nicht bei ihrem Entschluss zur Eheschließung beeinträchtigte.
Kritische Beurteilung der Entscheidung
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts überrascht auf den ersten Blick, da die Verknüpfung des Vermächtnisses an die Bedingung der Vereinbarung der Gütertrennung durchaus grenzwertig ist. Gerade die Argumentation, dass die Entschlussfreiheit der Begünstigten nicht beeinträchtigt sei, da im Zeitpunkt des Todes die Bedingungseintritt bereits final beurteilt werden kann, ohne dass der Betroffene hieran noch etwas ändern könne, überzeugt nicht restlos. Je nach Konstellation kann ein Erblasser hierdurch sehr wohl einen nicht unerheblichen Einfluss auf die potenziellen Erben nehmen. Beispielsweise durch eine lebzeitige Mitteilung der gewünschten Bedingung.
Fazit
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts zeigt, dass bei der Errichtung eines Testaments nicht nur Formvorschriften und etwaige Bindungswirkungen zu beachten sind, sondern weitere Hürden berücksichtigt werden müssen. Um hierbei eine rechtssichere Lösung zu erreichen, sollte bei der vermögensrechtlichen Nachfolgeplanung auf spezialisierte Fachanwälte im Erbrecht und Steuerrecht vertraut werden. Kontaktieren Sie uns gerne oder buchen Sie gleich einen Termin für eine individuelle Beratung!