Logo

Pflichtteilsstrafklausel im Berliner Testament: Wann führt sie zum Erbverlust?

13.08.2025

OLG Zweibrücken (8. Zivilsenat), Beschluss vom 09.07.2025 Aktenzeichen 8 W 56/24

In der Konstellation des klassischen Berliner Testaments entspricht es den Interessen der testierenden Ehegatten, dass im ersten Erbfall der gesamte Nachlass an den überlebenden Ehegatten übergehen soll und erst im zweiten Erbfall das Vermögen in die nächste Generation, d.h. an die Kinder, übertragen werden soll. Um die so gestaltete Erbfolge abzusichern, hat sich das Instrument der sog. Pflichtteilsstrafklausel als typische ergänzende Gestaltung bewährt. Mit einer solchen Strafklausel hat sich das OLG Zweibrücken beschäftigt.



Sachverhalt

In dem zu entscheidenden Fall stellte sich die Frage, ob ein Kind von der Erbfolge ausgeschlossen werden kann, wenn es nach dem Tod eines Elternteils seinen Pflichtteil geltend macht – obwohl dies im Testament mit einer Strafklausel sanktioniert wurde.

Die verstorbene Mutter hinterlässt ihre zwei Kinder. Ihr Ehemann war bereits Jahre zuvor vorverstorbenen. Die Eheleute errichteten 2012 ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder als Schlusserben einsetzten (sog. Berliner Testament). Zusätzlich enthielt das Testament eine Pflichtteilsstrafklausel: Die Eheleute bestimmten, dass für den Fall, dass eines der Kinder nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils einen Pflichtteilsanspruch geltend macht und diesen gegen den Willen des überlebenden Elternteils erhält, es auch von der Erbfolge nach dem überlebenden Elternteil ausgeschlossen sein soll.

Nach dem Tod des Vaters forderte die Tochter ihren Pflichtteil und erhielt diesen nach Auskunftserteilung und Einigung mit der Mutter.

Nach dem Tod der Mutter beantragte der Sohn nun einen Alleinerbschein mit der Begründung, dass die Schwester wegen Geltendmachung des Pflichtteils im ersten Erbfall von der Erbfolge ausgeschlossen sei. Seine Schwester widersprach mit dem Argument, dass kein entgegenstehender Wille der Mutter erkennbar gewesen sei.

Das Amtsgericht Kaiserslautern folgte jedoch der Argumentation des Bruders. Es entschied, dass die Tochter aufgrund der Pflichtteilsforderung nach dem Tod des Vaters von der Erbfolge ausgeschlossen sei. Die Strafklausel greife, auch wenn die Mutter dem Auskunftsanspruch nicht widersprochen habe.

Gegen diese Entscheidung legte die Tochter Beschwerde ein. Sie betonte, dass kein ausdrücklicher entgegenstehender Wille der Mutter vorgelegen habe, weshalb die Voraussetzung der Strafklausel nicht erfüllt sei. Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor.

Das OLG bestätigt nun: Der Erbschein wurde zu Recht erteilt.

Es hat entschieden, dass das Amtsgericht zurecht einen Erbschein für den Bruder als Alleinerben ausgestellt hat, da die Tochter durch die Geltendmachung ihres Pflichtteils nach dem Tod ihres Vaters aufgrund der Pflichtteilsstrafklausel von der Erbfolge ausgeschlossen ist.

Pflichtteilsstrafklauseln: Mehr als nur ein Drohmittel

Das OLG stellte dabei heraus, dass Pflichtteilsstrafklauseln eine klare Funktion erfüllen: Sie sollen Pflichtteilsforderungen unattraktiv machen, den Nachlass zusammenhalten und insbesondere den überlebenden Ehegatten vor Belastungen durch Auseinandersetzungen mit Pflichtteilsberechtigten schützen. Dabei geht es nicht nur um finanzielle Belastung, sondern auch um emotionale und organisatorische Konflikte, die mit der Geltendmachung solcher Ansprüche einhergehen.

Ziel der Klausel sei es, den überlebenden Ehepartner zu entlasten und solche Kinder zu bevorzugen, die sich an den testamentarischen Willen halten.

„Entgegen dem Willen des Erblassers“ – Was bedeutet das?

Kernpunkt des Falls war die Formulierung im Testament, wonach die Pflichtteilsstrafklausel nur greift, wenn der Pflichtteil „entgegen dem Willen“ des überlebenden Ehegatten geltend gemacht wird. Das OLG hat diese Formulierung wie folgt ausgelegt:

> Nicht erforderlich ist eine ausdrückliche Ablehnung durch den überlebenden Elternteil oder gar ein Rechtsstreit.

> Es genügt bereits, wenn der Pflichtteilsberechtigte einseitig, konfrontativ und ohne erkennbare Zustimmung des überlebenden Elternteils seinen Anspruch geltend macht – z. B. durch ein anwaltliches Auskunftsersuchen oder eine Pflichtteilsforderung.

> Die Klausel soll gerade nicht von der Konfliktfreudigkeit der Beteiligten abhängen. Ob der überlebende Elternteil die Ansprüche erfüllt oder sich streitlos verhält, ist unerheblich.

Damit trat die auflösende Bedingung der Klausel ein: Die Tochter hatte durch ihr Verhalten erkennbar gegen den Willen der Eltern gehandelt, die gewünscht hatten, dass Pflichtteilsforderungen unterbleiben. Dass die Mutter trotzdem zahlte - zu Recht -, ändert daran nichts.

Nicht entscheidungsrelevant: Reicht schon der Auskunftsanspruch?

Das Gericht musste im konkreten Fall nicht klären, ob bereits die bloße Geltendmachung von Auskunftsansprüchen über den Nachlass zur Auslösung der Strafklausel führt. Der Senat wies jedoch darauf hin, dass auch die bloße Auseinandersetzung – selbst ohne sofortige Zahlungsforderung – bereits eine erhebliche Belastung des überlebenden Ehegatten darstellen kann und damit dem Zweck der Klausel zuwiderlaufe.

Gestaltungsspielraum nutzen – aber mit Bedacht

Pflichtteilsstrafklauseln lassen sich in ihrer Ausgestaltung sehr unterschiedlich formulieren – von strikten automatischen Ausschlüssen bis hin zu differenzierten Regelungen mit Ausnahmen, etwa bei steuerlich motivierter Geltendmachung. Gerade deshalb ist die genaue Formulierung entscheidend. Eine anwaltliche Beratung ist daher dringend zu empfehlen, um sicherzustellen, dass der letzte Wille rechtssicher und im Sinne der Erblasser umgesetzt wird. Wir unterstützen Sie gerne bei der Gestaltung Ihres Testaments und einer auf Ihre persönlichen Ziele abgestimmten Vermögensnachfolgeplanung. Kontaktieren Sie uns gerne oder buchen Sie gleich einen Termin für eine individuelle Beratung!

Our website uses cookies to enhance your user experience. Click 'Accept Cookies' to agree to the use of cookies.