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Aus 1 mach 2 – FG teilt einheitliches Flurstück künstlich auf

24.05.2024

Gerichtsbescheid des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 12.07.2023 – 3 K14/23

Das Niedersächsische Finanzgericht hat in einer aktuellen Entscheidung zu dem Dauerbrenner-Thema „Familienheimklausel“ Stellung bezogen und die Anwendung dieser Steuerbegünstigung weiter eingeschränkt. Danach sei nur die Grundfläche des mit dem Familienheim bebauten Flurstücks oder bei größeren Flurstücken eine angemessene Zubehörfläche von dem steuerlichen Befreiungstatbestand umfasst.



Entscheidungsfall

Der Kläger erbte unter anderem Grundvermögen von seinem Vater. Darunter befanden sich mehrere Flurstücke, die der Vater zu Lebzeiten zu einem vereinigten Grundstück im Grundbuch hatte eintragen lassen (§ 890 BGB). Auf diesem vereinigten Grundstück mit insgesamt fünf Flurstücken befand sich das Familienheim.

Das Belegenheitsfinanzamt vertrat die Auffassung, dass die Erbschaftsteuerbefreiung nur für das Flurstück, auf dem sich das Familienheim befand, zu gewähren sei. Dem schloss sich das Erbschafsteuerfinanzamt und beschränkte die Steuerbegünstigung auf diesen Grundstücksteil.

Der gegen diesen Erbschaftsteuerbescheid eingereichte Einspruch blieb erfolglos.

Im anschließenden Gerichtsverfahren bestätigte das Niedersächsische Finanzgericht die Auffassung des Erbschaftsteuerfinanzamts und wies die Klage des Erben ab.

Worum geht’s eigentlich bei der Familienheimklausel?

Die Familienheimklausel stellt eine sachliche Befreiung von der Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer dar. Wenn eine Wohnung bzw. Einfamilienhaus von Übergeber/in und Erwerber/in zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird, bleibt dieses Grundvermögen steuerfrei.

Hierbei sind folgende Situationen zu unterscheiden:

Die unentgeltliche Übertragung des Familienheims zu Lebzeiten auf den Ehepartner/in ist jederzeit und ohne nachträgliche Haltezeiten des Erwerbers oder der Erwerberin möglich (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a. ErbStG).

Der Erwerb des Familienheims von Todes wegen durch den Ehe- bzw. Lebenspartner/in oder auf die Kinder ist nur dann steuerbefreit, wenn der Erwerber oder die Erwerberin das Familienheim unverzüglich nach Erwerb zu eigenen Wohnzwecken für mindestens zehn Jahre selbst nutzt (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b. und 4c ErbStG). Das von Kindern erworbene Familienheim ist nur insoweit befreit, wie die Wohnfläche nicht 200 qm übersteigt.

Überraschende Aussage der Entscheidung – fiktive Teilflächen

Das Niedersächsische Finanzgericht beschränkt die Steuerbefreiung auf das Flurstück, auf dem das Wohnhaus steht. Auf diese Wiese möchte das Gericht mögliche lebzeitige Gestaltungen des Erblassers bzw. Grundstückseigentümers von der Begünstigungsmöglichkeit ausnehmen. Der Grundstückseigentümer könnte andernfalls seine Grundstücke mit dem Familienheim-Flurstück „verschmelzen“, um die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung zu schaffen.

Noch erstaunlicher ist jedoch die Auffassung des Gerichts, dass auch bei einem einzigen Flurstück nur der mit dem Familienheim bebaute Teil zu berücksichtigen und notfalls dafür eine (fiktive) Teilfläche zu bestimmen sei. Dies betrifft beispielsweise Grundstücke bzw. einheitliche Flurstücke mit einem dazugehörigen Gartenteil. Somit steht zu befürchten, dass die Finanzämter künftig einheitliche Flurstücke – entgegen ihrer zivilrechtlichen, katastermäßigen oder bewertungsrechtlichen Einordnung – fiktiv in begünstigungsfähige und nicht begünstigte Flurstücksteile aufspalten dürfen.

Konsequenzen für die Praxis

Das Niedersächsische Finanzgericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache die Revision zugelassen. Es bleibt daher abzuwarten, ob der Bundesfinanzhof diese Auffassung bestätigt.

Sollte dieses Urteil höchstrichterliche Bestätigung finden, wäre in der künftigen Nachfolgegestaltung zu überlegen, ob die Erblasser übergroße Familienheimgrundstücke zu Lebzeiten aufteilen und den nicht begünstigten Flurstücksteil bereits im Rahmen der vorweggenommene Erbfolge übertragen und dabei die zehnjährig wiederkehrenden Freibeträge ausnutzen.

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Autor: Rechtsanwalt Dr. Deniz Hoffmann

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