Kein Arbeitslohn bei Unternehmensnachfolge von leitenden Mitarbeitenden
22.01.2025
Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20.11.2024 – VI R 21/22
Der Bundesfinanzhof hat in einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden, dass die schenkweise Übertragung von Geschäftsanteilen auf leitende Mitarbeitende im Rahmen der Unternehmensnachfolge nicht ohne Weiteres zu einkommensteuerpflichtigem Arbeitslohn führt. Die Anteilsübertragung auf Mitarbeitende hängt zwar mit dem Arbeitsverhältnis zusammen, muss aber durch dieses nicht (maßgeblich) veranlasst sein. Dies gelte insbesondere, wenn das Motiv der Unternehmensnachfolge für alle Beteiligten erkennbar zum Ausdruck kam und die Anteilsübertragung nicht an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses anknüpft. Mit dieser Entscheidung hat der Bundesfinanzhof vor allem für die Fälle die Rechtssicherheit gesteigert, bei denen mangels geeigneter Nachfolger innerhalb der Unternehmerfamilie eine Nachfolge an die leitenden Mitarbeitenden erfolgen soll.
Zum Fall
Die Klägerin war leitende Mitarbeiterin einer GmbH und sollte das Unternehmen weiterleiten. Die Gesellschafter übertrugen ihr und weiteren vier Mitgliedern der Geschäftsleitung schenkweise jeweils 5,08 Prozent der Gesellschaftsanteile. Zudem übertrugen sie auch Anteile an ihren Sohn, der jedoch aufgrund anderweitiger beruflicher Einbindung und fehlender unternehmerischer Erfahrung die Führung und Leitung des Unternehmens seiner Eltern nicht gewährleisten konnte. Daher legten die Gesellschafter den wirtschaftlichen Fortbestand und Erfolg der GmbH primär in die Hände der in der Geschäftsleitung tätigen Klägerin und übrigen Mitglieder (Erwerber).
Das Finanzamt gelangte im Rahmen einer durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung zu der Auffassung, dass der unentgeltliche Erwerb durch die fünf leitenden Mitarbeitenden – im Hinblick auf die bestehende und die zukünftigen weiteren Beschäftigungsverhältnisse – als gewährter Arbeitslohn und somit als zu geldwerter Vorteil zu berücksichtigen sei und erhöhte daher in den betreffenden Einkommensteuerbescheiden die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit.
Der hiergegen gerichtete Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid blieb erfolglos.
In der anschließenden Klage gab das Finanzgericht der Klage statt, das sich der Vorteil aus der Übertragung der Geschäftsanteile nicht als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstelle. Gegen dieses Urteil richtete sich das Finanzamt mit seiner Revision vor dem Bundesfinanzhof, der diese zurückwies und die Rechtsauffassung der ersten Instanz (Finanzgericht) bestätigte.
Die Entscheidung
In seiner Entscheidung führt der Bundesfinanzhof aus, dass der in der schenkweisen Übertragung der GmbH-Beteiligung liegende Vorteil keinen Arbeitslohn darstelle. Neben Gehältern und Löhnen können auch andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung gewährt werden, einkommensteuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit darstellen, sog. geldwerte Vorteile. Dies gilt beispielsweise nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in der verbilligten Überlassung einer Unternehmensbeteiligung im Rahmen einer Mitarbeiterbeteiligung. Entscheidend ist jedoch, dass die Zuwendung – Preisnachlass beim Anteilserwerb – durch das Dienstverhältnis veranlasst und deshalb als Arbeitslohn zu beurteilen ist. Oder anders ausgedrückt: wenn der Vorteil dem Arbeitnehmer „für“ seine Arbeitsleistung gewährt wird.
Diese Voraussetzung war nach Auffassung des Finanzgerichts im Streitfall nicht erfüllt. Dies hat der Bundesfinanzhof im Revisionsurteil bestätigt. Nur weil die Anteilsübertragung mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängt, ist sie dadurch nicht (maßgeblich) veranlasst. Vielmehr war das für alle Beteiligten erkennbare Motiv für die Übertragung die Regelung der Unternehmensnachfolge. So hatten die Gesellschafter im Übertragungsvertrag eine erbschaftsteuerliche Rückfallklausel vereinbart. Die Klägerin hatte zusammen mit den anderen vier leitenden Mitarbeitenden eine Sperrminorität (25,4%) gegenüber dem Sohn als neuen Hauptgesellschafter. Sie konnten deshalb maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensleitung nehmen. Ferner waren die Anteilsübertragungen nicht an den Fortbestand der Arbeitsverhältnisse geknüpft.
Konsequenzen für die Praxis
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist zunächst begrüßenswert und schafft Rechtssicherheit für die Unternehmensnachfolge innerhalb der Belegschaft. Zunehmend finden sich in der eigenen Familie keine geeigneten Nachfolger/innen, sodass häufiger auf die leitenden Mitarbeitenden zurückgegriffen wird. Diese sind aufgrund ihrer meist langjährigen Betriebszugehörigkeit mit den Belangen des Unternehmens vertraut und für die Geschäftsführung geeignet. Eine engere Bindung an das Unternehmen kann häufig jedoch nur über die Gesellschafterstellung erfolgen.
Hierfür kennt das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht in den §§ 13a, 13b und 19a ErbStG entsprechende Steuerbegünstigungen und -befreiungen für die unentgeltliche Übertragung von Unternehmensanteilen. Wie die Entscheidung zeigt, stellt sich jedoch neben der Schenkungsteuer häufig auch das Problem, dass das Finanzamt in der vergünstigten Anteilsüberlassung auch einen einkommensteuerlichen Tatbestand erkennt.
Das Urteil bietet Anhaltspunkte, um den Übergabevertrag so zu gestalten, dass das Finanzamt in der vergünstigten bzw. unentgeltlichen Überlassung nicht zugleich die Gewährung geldwerter Vorteile erkennt (z. B. erbschaftsteuerliche Rückfallklauseln, Sperrminoritäten, Abkoppelung vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses).
Unterstützung durch einen Fachanwalt für Erbrecht und Steuerrecht
Für die Ausgestaltung entsprechender Übergabeverträge empfiehlt sich eine umfassende Beratung durch entsprechende Fachanwälte im Steuerrecht und Erbrecht, die sich auf die Vermögens- und Unternehmensnachfolge spezialisiert haben. Mit unserer langjährigen Erfahrung beraten wir Sie zu allen erbrechtlichen Optionen. Kontaktieren Sie uns gerne jederzeit für ein Erstgespräch.