Vermächtnis im Testament: Wenn Ärzte vom Patienten erben – rechtlich überhaupt möglich?
11.09.2025
Bundesgerichtshof, Urteil vom 2. Juli 2025, IV ZR 93/24
In einem aktuellen Fall befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage, ob ein Arzt ein Grundstück von seinem verstorbenen Patienten vermächtnisweise erhalten darf. Der Fall betrifft zentrale Themen im Erbrecht, Insolvenzrecht und ärztlichen Berufsrecht – und zeigt, welche rechtlichen Risiken entstehen können, wenn sich medizinische Betreuung und Erbschaften überschneiden. Besonders brisant ist dabei der rechtliche Konflikt zwischen der im Grundgesetz verankerten Testierfreiheit (Art. 14 GG), die es jeder Person erlaubt, frei über ihr Vermögen von Todes wegen zu verfügen, und berufsrechtlichen Vorgaben für Ärzte, die unzulässige Zuwendungen im Zusammenhang mit ärztlichen Leistungen untersagen.
Sachverhalt
Der Hausarzt betreute ab 2015 einen älteren, alleinstehenden Mann, der 2018 kinderlos verstarb. Die alltägliche Pflege übernahm eine Bekannte des Patienten. 2016 schlossen der Patient (Erblasser), der Arzt, die Pflegerin und deren Tochter eine notarielle Vereinbarung – betitelt als „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“.
In diesem verpflichtete sich der Arzt, den Patienten über die übliche medizinische Behandlung hinaus umfassend zu betreuen. Als Gegenleistung sollte er nach dem Tod des Patienten ein Grundstück als Vermächtnis erhalten. Im Übrigen setzte der Erblasser die Pflegerin testamentarisch als Alleinerbin ein.
2019 wurde über das Vermögen des Arztes das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter verlangte daraufhin von der Alleinerbin die Übertragung des Grundstücks. Die Vorinstanzen wiesen die Klage jedoch ab. Zwar wurde die Grundstückszuwendung als Vermächtnisanordnung gewertet – allerdings hielten die Gerichte das Vermächtnis für unwirksam, da es gegen das ärztliche Berufsrecht (§ 32 Abs. 1 S. 1 ÄKWLBerufsO) verstoße.
BGH bestätigt: Testierfreiheit steht über ärztlichem Berufsrecht
Der BGH hat nun eine Grundsatzentscheidung getroffen, die über den konkreten Einzelfall hinaus für bundesweite Klarheit sorgt. Zwar ging es ursprünglich um eine berufsrechtliche Regelung aus der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Die dort enthaltene Verbotsnorm entspricht jedoch der bundesweit geltenden Muster-Berufsordnung für Ärzte. Damit entfaltet das Urteil grundsätzliche Bedeutung für alle Ärztinnen und Ärzte in Deutschland.
Der BGH folgt in seiner Entscheidung der Linie des Oberlandesgerichts Frankfurt (21. Zivilsenat, Beschluss vom 21.12.2023 – 21 W 91/23): Ein berufsrechtliches Verbot für Ärztinnen und Ärzte, sich Vorteile im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung versprechen oder gewähren zu lassen, rechtfertigt keinen Eingriff in die Testierfreiheit des Patienten.
Die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Freiheit, den eigenen Nachlass nach freiem Willen zu regeln, bleibt unberührt. Patienten dürfen auch behandelnden Ärzten rechtswirksam Vermögenswerte vermachen, selbst wenn dies berufsrechtlich für die Ärztin oder den Arzt problematisch sein sollte.
Die drei Kernargumente des Gerichts
Der BGH stützt seine Entscheidung auf drei wesentliche Argumentationslinien:
> Adressat des Berufsrechts ist allein der Arzt – nicht der Erblasser
Die berufsrechtliche Regelung dient ausschließlich dem Schutz des Ansehens und der Integrität der Ärzteschaft. Sie richtet sich nur an die berufstätigen Ärztinnen und Ärzte – nicht an Patienten. Daher kann sie auch nicht in die Grundrechte des Patienten eingreifen.
> Einschränkungen der Grundrechte bedürfen gesetzlicher Grundlage
Eingriffe in Grundrechte – wie etwa die Testierfreiheit – dürfen nur durch Gesetz erfolgen, nicht allein durch Regelungen in einer Berufsordnung. Die Berufsordnung kann keine Einschränkungen gegenüber Dritten (z. B. dem Patienten) bewirken, wenn es dafür keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage gibt.
> Kein legitimer oder verhältnismäßiger Eingriff in die Testierfreiheit
Ein Eingriff in die Testierfreiheit wäre nur dann zulässig, wenn er einem legitimen Gemeinwohlzweck dient und verhältnismäßig ist. Beides ist hier nicht gegeben: Das Berufsrecht schützt die Integrität der Ärzteschaft – nicht das Gemeinwohl im engeren Sinne. Zudem fehlt die Möglichkeit, im Einzelfall Ausnahmen zuzulassen. Ein Patient könnte andernfalls nicht einmal dann wirksam ein Vermächtnis errichten, wenn der Arzt davon gar nichts weiß – das wäre unverhältnismäßig.
Fazit
Mit diesem Urteil stellt der BGH unmissverständlich klar: Das Berufsrecht darf die Testierfreiheit nicht einschränken. Zu beachten gilt jedoch, dass berufsrechtliche Konsequenzen – etwa durch die Ärztekammer – davon unabhängig sind.
Gestaltungsmöglichkeiten bei Testamenten – Berufsrecht und § 14 HeimG im Blick behalten
Wer in seinem Testament Personen außerhalb der Familie – etwa behandelnde Ärzte, Pflegekräfte oder andere enge Vertraute – bedenken möchte, sollte besondere Sorgfalt auf die rechtssichere Nachlassplanung legen. Denn neben berufsrechtlichen Vorgaben für Ärzte spielt auch § 14 HeimG eine wichtige Rolle, wenn es um Zuwendungen an Pflegekräfte oder Heimmitarbeiter geht.
Nach dieser Vorschrift sind Schenkungen und testamentarische Verfügungen zugunsten von Personen, die im Rahmen eines Heimverhältnisses Leistungen erbringen, unter bestimmten Umständen zivilrechtlich unwirksam. Im Unterschied zum ärztlichen Berufsrecht, das nur berufsrechtliche Konsequenzen für den Arzt nach sich zieht, ist § 14 HeimG ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB und kann daher zur anfänglichen Unwirksamkeit des Testaments führen. Ausschlaggebend ist oft die genaue Formulierung im Testament und ob neben dem beruflichen Verhältnis auch eine persönliche Nähe zum Erblasser bestand.
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