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Karlsruhe vs. München - Nichtzulassungsbeschwerde ist kein Glücksrad!

04.04.2025

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.02.2025 – 1 BvR 2267/23

In einem kürzlich veröffentlichten Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die besonders hohen Anforderungen des Bundesfinanzhofs an die Darlegung von Revisionszulassungsgründen im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gegen das Gebot des effektiven Rechtsschutzes verstoßen. Der Bundesfinanzhof hatte in seiner vorangegangenen Entscheidung die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, weil die Beschwerdeführerin nicht ausreichend dargelegt hatte, dass eine Normverwerfung durch Bundesverfassungsgericht zu einer rückwirkenden Neuregelung oder Übergangsregelung führen würde. Das Bundesverfassungsgericht erachtete diese Anforderungen als unzumutbar und objektiv willkürlich, da der Bundesfinanzhof Darlegungen zu ungewissen zukünftigen Umständen verlangte, welche die Beschwerdeführerin nicht belastbar prognostizieren konnte.



Verfassungsbeschwerde


Die Beschwerdeführerin war eine GmbH, die sich vor dem Finanzgericht erfolgslos gegen die Änderung von Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide 2013 wehrte. Das Finanzamt hatte in diesen Bescheiden ihre Aufwände aus einer Schuldübernahmeverpflichtung für eine Pensionszusage an ihren Geschäftsführer nicht berücksichtigt.

Das Finanzgericht hatte ihre Klage abgewiesen, woraufhin sie die Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) beim Bundesfinanzhof einlegte. Ihre NZB stütze sie auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, da der „starre“ Rechnungszinsfuß von 6 % für die Verzinsung von Pensionsrückstellungen (§ 6a Abs. 3 Satz 3 EStG) gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verstoße.

Der Bundesfinanzhof wies ihre NZB mit der Begründung zurück, dass die Beschwerdeführerin (GmbH) den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht hinreichend dargelegt habe. In der NZB hätte die Beschwerdeführerin für den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht die Vorschrift wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes aufhebe (sogenannte Normverwerfung), darlegen müssen, dass die Normverwerfung zu einer rückwirkenden Neuregelung des beanstandeten Gesetzes oder zumindest zu einer Übergangsregelung für alle noch offenen Fälle führen würde.

Die Beschwerdeführerin erhob daraufhin Verfassungsbeschwerde und rügte die Verletzung des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Der Bundesfinanzhof habe die Anforderungen an die Darlegung von Revisionszulassungsgründen im NZB-Verfahren unzumutbar und willkürlich überspannt. Die Anforderungen seien strenger als bei einer konkreten Normkontrolle, bei der ein Gericht dem Bundesverfassungsgericht ein Gesetz zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit vorlege, Art. 100 Abs. 1 GG.

Worum geht es eigentlich bei der Nichtzulassungsbeschwerde?

Anders als bei Verfahren vor den ordentlichen Gerichten (AG, LG, OLG, BGH) oder den anderen Fachgerichten (Verwaltungs-, Sozial- oder Arbeitsgerichten) kennt das finanzgerichtliche Verfahren nur zwei Instanzen (FG und BFH).

Wer in der ersten Instanz vor dem Finanzgericht verliert, dem steht keine weitere Tatsacheninstanzen offen. Vielmehr hat er nur noch die Möglichkeit vor dem Bundesfinanzhof im Revisionsverfahren Rechtsfehler aus der angefochtenen Entscheidung zu rügen.

In aller Regel lassen die Finanzgerichte jedoch die Revision nicht zu. In diesem Fall steht dem Kläger oder der Klägerin nur die Möglichkeit offen, innerhalb eines Monats ab Zustellung des Urteils eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof einzureichen. In dieser Nichtzulassungsbeschwerde muss der Beschwerdeführer einen von drei Beschwerdegründen (§ 115 Abs. 2 FGO) darlegen:


  • grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache,

  • Rechtsfortbildung bz. Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder

  • ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann.


An diese Darlegungspflicht stellt der Bundesfinanzhof (sehr) hohe Anforderungen. So darf die Beschwerdeschrift keine „Revisionsschrift light“ sein. Der Beschwerdeführer kann also nicht den Rechtsverstoß (Verletzung von Bundesrecht) rügen, sondern muss anhand der genannten Beschwerdegründen schlüssig darlegen, warum die Revision zuzulassen ist.

Erst wenn der Bundesfinanzhof die Revision zulässt, folgen die rechtlichen Ausführungen in der anschließenden Revisionsschrift zum eigentlichen Rechtsverstoß (Verletzung von Bundesrecht) und es wird zur Sache verhandelt.

Entscheidung aus Karlsruhe

In seinem Beschluss vom 21.02.2025 hat die zuständige Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts den Beschluss des Bundesfinanzhofs aufgrund der offensichtlich begründeten Verfassungsbeschwerde aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an ihn zurückverwiesen.

Die Kammer bestätigt, dass das Bundesfinanzhof die Darlegungsanforderungen überspannt hat. Es sei für die Beschwerdeführerin nicht möglich, zu in der Zukunft liegenden Umständen Darlegungen zu verlangen, deren Eintritt ungewiss ist und die sie nicht belastbar prognostizieren könne.

Insbesondere könne die Beschwerdeführerin nicht den Ausgang der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts selbst belastbar prognostizieren, falls diese die Norm verwerfen sollte. Wenn der Gesetzgeber eine Neuregelung treffen muss, wie sollte die Beschwerdeführerin den politischen Willensbildungsprozess des Gesetzgebers vorhersehen. Hierbei wären sowohl steuer- und finanzpolitische Erwägungen wie auch andere politische Anliegen zu berücksichtigen, da dem Gesetzgeber in der Regel mehrere Gestaltungsmöglichkeiten offenstehen.

Dies ist unzumutbar und objektiv willkürlich.

Das Bundesverfassungsgericht führt aus, dass es derart hohe Anforderungen nicht einmal vom Bundesfinanzhof selbst verlangen würde, wenn dieses im Rahmen einer konkreten Normkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG ein Gesetz zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit vorlegen würde.

Anders ausgedrückt: der Bundesfinanzhof stellte höhere Anforderungen an die Darlegungen der Beschwerdeführerin als er selbst bei Vorlage eines gegebenenfalls verfassungswidrigen Gesetzes in Karlsruhe zu erfüllen hätte.

Unterstützung von Fachanwälten für Steuerrecht vor dem BFH

Durch seinen aktuellen Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht die (sehr hohen) Anforderungen) an eine Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesfinanzhof abgeschwächt. Hierdurch ist der Darlegungsumfang etwas weniger lotteriehaft geworden.

Dennoch bestehen weiterhin erhebliche Anforderungen an die Darlegung der Revisionszulassungsgründe. Dafür bedarf es umfassender Kenntnis des Verfahrensrechts sowie entsprechender Erfahrung bei Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren. Anders als vor den Finanzgerichten besteht vor dem Bundesfinanzhof Anwaltszwang, d. h. der Beschwerdeführer kann sich nicht selbst vertreten, sondern der Verfahrensbevollmächtigte muss als Rechtsanwalt oder Steuerberater zugelassen sein.

Unsere Fachanwälte für Steuerrecht beraten Sie hierzu gerne und vertreten Sie im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren und bei erfolgreicher Revisionszulassung im anschließenden Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof. Kontaktieren Sie uns gerne jederzeit für ein Erstgespräch.



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Autor: Rechtsanwalt Dr. Deniz Hoffmann

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